Mit der Nische ist es so eine Sache…
Zu Beginn der Selbstständigkeit kann es durchaus sinnvoll sein, erstmal ein kleines Territorium für sich zu erobern – sich zum Beispiel als spezialisierte:r Hochzeitsfotograf:in von größeren Fotostudios abzugrenzen. Ich stelle mir eine Nische vor wie einen norwegischen Fjord: Lieber auf kleinem Gebiet erfolgreich fischen, anstatt draußen im weiten Meer unterzugehen. Solo-Selbstständige sind schließlich kleine Ein-Mann:Frau-Boote, keine riesigen Frachter.
Aber was ist nach fünf, zehn oder gar mehr Jahren, wenn du jeden Winkel deiner Nische kennst wie deine Westentasche? Was ist, wenn du einfach keinen Dorsch mehr sehen kannst, das aber der einzige Fisch in deinem Fjord ist? Dann musst du dich zu neuen Ufern aufmachen.
Kannst du eigentlich auch …?
Wenn Kund:innen dir vertrauen und zufrieden mit deinem Produkt waren, ist es für sie naheliegend, ein verwandtes Produkt auch bei dir zu kaufen, anstatt den Markt wieder von vorne zu sondieren. Nehmen wir an, du bist Hochzeitsfotograf:in und hast ein Paar mit deinen Fotos sehr glücklich gemacht. Dann kann es gut sein, dass sie nochmal anklopfen: „Sag mal, fotografierst du eigentlich auch Taufen?“
Am Anfang deiner Selbstständigkeit, wenn du erstmal deine Nische „Hochzeitsfotografie“ erobern willst, kann es sinnvoll sein, an Kolleg:innen zu verweisen. Wenn du aber schon hunderte, vielleicht gar tausende Hochzeiten fotografiert hast, sind solche Fragen willkommene Gelegenheiten, dein Portfolio in andere Richtungen zu erweitern.
Dein Geschäftsmodell wird dann zum Schnellboot: Es ist immer dasselbe Boot (in diesem Fall die Fotografie), mit dem du flott von einem Fjord zum nächsten kommst.
Über’s Eck gedacht
Was ist aber, wenn du deine Nische nicht nur um eine ähnliche ergänzen, sondern etwas komplett anderes machen willst? Dann musst du strategischer vorgehen. Eine Nische setzt sich meist aus zwei Komponenten zusammen: einer Tätigkeit (Fotografie) und einer Branche (Hochzeitsbranche). Um die Nische komplett zu wechseln, lohnt sich ein Zwischenschritt.
Nehmen wir an, du willst nun Redenschreiber:in für Politiker:innen werden – das erscheint erstmal unmöglich. Mit einem Zwischenschritt und etwas Geduld kann es aber gelingen: Du könntest entweder erstmal deine Ursprungsbranche beibehalten und Hochzeitsredner:in werden oder zunächst bei deiner Tätigkeit bleiben und als Fotograf:in für Politker:innen arbeiten. Im zweiten Schritt kommst du dann ans Ziel.
Bei dieser Umstrukturierung fährst du nicht einfach in den nächsten Fjord, sondern baust auch dein Boot um, weil der neue Fjord ganz andere Gegebenheiten hat.
Drittel-Methode
Dieser Weg ist für alle, die sich erst gar nicht in eine Nische begeben wollen – zumindest nicht mit beiden Beinen. Wer Abwechslung braucht, kann mit der Drittel-Methode von Beginn an vorsorgen: Ein durchschnittlicher Monat hat 20 Arbeitstage. Fünf davon gehen für Verwaltung drauf. Die übrigen 15 werden gedrittelt: Fünf verbringst du mit optimalerweise gut bezahlten Aufträgen in deiner Nische. Fünf weitere nimmst du dir, um lustvoll außerhalb deiner Nische zu experimentieren, in anderen Branchen, mit anderen Tätigkeiten oder gar beides – dabei kannst du auch Geld verdienen, nur unter Umständen eben deutlich weniger als auf deinem Expertengebiet. Das letzte Drittel ist für Akquise reserviert: Am Anfang brauchst du vielleicht alle fünf Tage für deine Nische, dank Empfehlungen wird das aber weniger und du hast mehr Zeit, um Aufträge außerhalb deiner Nische an Land zu ziehen.
Dein Geschäftsmodell verfügt so über mehrere Fahrzeuge: Mit einem kleinen Boot bist du in deinem Heimat-Nischen-Fjord unterwegs. Zu Fuß oder mit dem Rad gehst du auf Entdeckungstour auf den Hügeln und im Hinterland. Vielleicht findest du dabei sogar einen anderen Fjord, der dir besser gefällt. Dann lädst du dein Boot auf einen Hänger und verlagerst deinen Geschäftsschwerpunkt.
Zu guter Letzt: Drei häufige Fragen zum Thema Nischenmärkte:
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