lexfree: Viele Selbstständige machen über Social Media und ihre eigene Website auf sich aufmerksam. Ist es angesichts dieser digitalen Möglichkeiten noch notwendig, im Business-to-Business Kaltakquise zu betreiben?
Susanne: Eine Website funktioniert nicht zur Kundengewinnung, nur weil sie online ist. Sie muss so optimiert sein, dass Interessent:innen sie finden. Bei Social Media muss ich einen Kanal aufbauen, ihn regelmäßig mit mehrwertigem Content bespielen und mit der Community interagieren. Es braucht einen langen Atem, bis sich das Rad des Marketings digital dreht. Deshalb ist es meiner Ansicht nach sehr wichtig, die Skills für die Kaltakquise zu beherrschen. Auch in der Warmakquise, sprich dem Empfehlungsmarketing oder der Reanimation von früheren Kund:innen, steckt sehr viel Potenzial. Ich rate, beide Methoden, also die analoge und digitale Kundengewinnung, zu beherrschen und anzuwenden. Durch meine Stimme und durch eine besondere Inspiration kann ich mich ganz anders ins Gespräch bringen als in der digitalen Kundengewinnung.
lexfree: Worin liegt der Vorteil der Kaltakquise?
Susanne: Sie bietet die Möglichkeit, mit Unternehmen in Kontakt zu treten, die sonst nie von sich aus auf mich zugekommen wären. In manchen Branchen ist es üblich, gezielt Wunschkund:innen zu recherchieren, die zur eigenen Expertise passen. Das können etwa Wettbewerber von Unternehmen sein, für die die oder der Selbstständige bereits gearbeitet hat und die ihr oder ihm eine gute Referenz eingebracht haben. Was ich auch sehr wichtig finde: Selbstständige erfahren im Dialog mit potenziellen Kund:innen, was in deren Unternehmen passiert und was sie für die Zukunft planen. Sie können dann direkt ein passendes Angebot unterbreiten oder beim nächsten Kontakt gezielt auf die Vorhaben des Unternehmens eingehen und dabei Unterstützung anbieten.
lexfree: Viele empfinden es selbst als nervig, von Menschen angerufen zu werden, die etwas verkaufen möchten. Ist ein Kaltakquise-Anruf in einem Unternehmen nicht von vorneherein zum Scheitern verurteilt?
Susanne: Er ist nur zum Scheitern verurteilt, wenn ich es auf eine plumpe Verkaufsmanier mache oder ich nicht weiß, wie ich eine Telefonakquise im Gespräch aufbaue. Es ist klar, dass es bestimmte Hürden gibt und Einwände kommen können. Es sind immer dieselben: „keine Zeit“, „kein Budget“, „wir haben schon feste Partner“. Selbstständige sollten so inspirierend und dynamisch in das Gespräch gehen, dass diese Einwände gar nicht erst vorgebracht werden. Das Ziel sollte nicht sein, jetzt etwas zu verkaufen, sondern den oder die Gesprächspartner:in über ein Angebot zu informieren, das einen Mehrwert für das Unternehmen hat.
lexfree: Wie gelingt das konkret?
Susanne: Viele fallen mit der Tür ins Haus. Das ist so, als wenn man bei einem Date fragen würde: „Willst du mich heiraten?“. Das funktioniert nicht, denn es geht hier erst einmal um eine Kontaktanbahnung. Es braucht einen Einstiegssatz, in dem ich den Grund meines Anrufs nenne. Dann könnte es so weitergehen: „Sie sind in Branche XY aktiv und machen hervorragende Produkte im Bereich Z. Ich bin Expert:in für ein bestimmtes Feld und habe schon für diese und jene Firma gearbeitet. Ich habe gesehen, dass Sie gerade jenes Produkt auf den Markt gebracht haben. Wie wäre es, wenn ich Ihnen zeige, was ich für einen Wettbewerber entwickelt habe?“ Es geht darum, einen Dialog aufzubauen, der einen Mehrwert liefert und bei dem ich meine Reputation vorweisen kann. Durch eine geschickte, offene Fragestellung und einen gezielten Gesprächsablauf gehe ich dann auf die Reaktionen so ein, dass ich den oder die Kund:in – und das ist immer mein Ziel – in einem besseren Zustand hinterlasse als er oder sie vor dem Telefonat war. Das heißt, ich gebe ihm oder ihr eine Inspiration und fordere ihn oder sie nur auf, mir zu sagen, ob es gewünscht ist, dass ich beispielsweise nähere Informationen zuschicke oder wir uns vernetzen.
lexfree: Das klingt, als bedürfe es einiger Vorbereitung. Spontan in einem Unternehmen anzurufen, ist also nicht sinnvoll?
Susanne: Das würde ich niemals empfehlen, vor allem nicht, wenn jemand noch nie kalt akquiriert hat. Es braucht einen messerscharfen Leitfaden. Er muss nicht auswendig gelernt sein, er muss aber so sitzen, dass ich mein Anliegen auf eine authentische und freundliche Art rüberbringe und weiß, wie ich auf mögliche Einwände reagiere. Die Stimme und die paraverbale Sprache müssen Vertrauen vermitteln. Wer am Telefon eine positive Ausstrahlung besitzt, überträgt diese Stimmung meist auf sein Gegenüber. Dies erhöht die Chancen, dass der oder die andere bereit ist, mir indirekt seine oder ihre Zustimmung für das Gespräch zu geben. Die meisten übergehen diesen Punkt und reden einfach drauflos. Wenn es an der Bereitschaft zum Dialog aber fehlt, kann die Akquise nicht erfolgreich sein.
lexfree: Wie groß sind die Erfolgschancen bei einer Kaltakquise? Lässt sich statistisch sagen: Ich rufe in zehn Unternehmen an und bei einem klappt es?
Susanne: Nein, das lässt sich so nicht sagen. Es ist vielleicht so, dass sich bei hundert Anrufen drei Kund:innen gewinnen lassen. Das scheint wenig, aber wenn es langfristige Kund:innen werden oder solche mit einem großen Auftragsvolumen, sind hundert Adressen gar nichts. 50 Prozent werden von vorneherein sagen, dass sie keinen Bedarf haben. Viele sind nicht erreichbar und manche bleiben längere Zeit in der Wiedervorlage. Eine meiner Kundinnen hat kürzlich mit zwölf Adressen drei neue Auftraggeber:innen gewonnen. Ihr Produkt war toll, sie hatte eine super Expertise und ihre Ansprechpartner:innen fanden ihr Angebot richtig spannend. So kann es eben auch gehen.

Zu guter Letzt: Die drei wichtigsten Fragen kurz zusammengefasst
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