lexfree: Wie sieht ein schlaues Geschäftsmodell für Solo-Selbstständige aus?
Ehrenfried Conta Gromberg: Wir nennen es smart. Es geht darum, im heutigen Markt so zu agieren, dass man nicht bis zur Erschöpfung arbeitet. Wir unterscheiden zwischen Solo-Selbstständigen und Solopreneuren. Solo-Selbstständige sind klassischer unterwegs, meist zeitbeschränkt und honorarbasiert tätig. Sie bekommen verschiedene Anfragen herein, haben einen Tages- oder Stundensatz und erstellen dann ein individuelles Angebot. Diese Personen können nur eine bestimmte Anzahl von Projekten parallel ausführen. Solopreneure sind juristisch gleich aufgestellt, aber produktorientiert. Das heißt, sie nutzen die Digitalisierung stärker und bauen mit ihrer Kompetenz ein Angebot auf, das sich online buchen oder kaufen lässt. Es muss kein dingliches Produkt wie etwa ein Gummistiefel sein. Wir denken stark von Experten- und Serviceprodukten her. So könnte eine Trainerin oder ein Trainer einen Workshop zu einem festen Thema und Preis anbieten. Die individuelle Kommunikation im Vorfeld des Auftrags fällt so weg.
lexfree: Sie haben ein Modell konzipiert, die Produkttreppe, mit der Sie aufzeigen, wie sich das eigene Angebot aufbauen lässt. Wie können Solo-Selbstständige ihre diversen Leistungen sinnvoll strukturieren?
Ehrenfried Conta Gromberg: Viele Selbstständige tragen einen Bauchladen vor sich her. Es kommen dann zwar Aufträge rein, aber diese sind breit gestreut. An dieser Stelle macht die Produkttreppe einen Schnitt. Wir sagen: „Entwickle eine Strategie – wir bezeichnen es als Geschäftskonzept – und reduziere dein Angebot auf ein klares Produktportfolio.“ Die Produkttreppe ist ein Werkzeug, um dieses Portfolio zu modellieren. Wir sind nicht die Ersten, die eine Produkttreppe nutzen, um eine Abfolge zu symbolisieren. Wir haben sie aber streng standardisiert, bestimmte Normen eingeführt, sie an die digitalen Anforderungen angepasst und den Begriff auch markenrechtlich schützen lassen. Eine kleine Übung ist: Was wäre, wenn du ein Regal mit sechs Brettern in einem Schaufenster hättest und du nur ein Produkt auf jedes der sechs Regalbretter stellen dürftest? Platziere dabei das Wichtigste in der Mitte. Die sechs Regalbretter stehen für die sechs Stufen der Produkttreppe. Die Regel, die dabei gilt: Du musst die Produkte standardisieren. Unsere Erfahrung zeigt, dass diese Aufgabe das Gehirn der meisten Selbstständigen zum Kochen bringt. Sie erkennen, dass sie einige Angebote aussortieren müssen.

lexfree: Wir haben nun sechs Produkte, aber wie lässt sich das Portfolio im Detail aufbauen?
Ehrenfried Conta Gromberg: Diese sechs Stufen sind unterteilt in drei Schichten: Die untere für die Reichweite, in der Mitte die Tragschicht und oben die Superuser-Schicht. Viele Selbstständige verfügen nur über die Tragschicht. Etwa eine Designerin oder ein Designer, deren oder dessen Hauptleistung in der Logo-Entwicklung liegt. Da ist ein Preis dran, 2.500 Euro für eine standardisierte Leistung. Diese Produkttreppe arbeitet nicht auf verschiedenen Ebenen. Mit einem Reichweitenprodukt könnte sie oder er auch niedrigschwellig Menschen anziehen. Und es fehlt an einem Angebot für Kundinnen und Kunden, die mehr wollen als ein Logo.
lexfree: Machen wir es etwas plastischer: Was wäre für eine:n Logo-Designer:in ein gutes Reichweiten-Produkt?
Ehrenfried Conta Gromberg: Wenn jemand auf die Website kommt, wird sie oder er nicht sagen: „Das sieht gut aus. Ich bestelle nun mit einem Klick ein Logo für 2.500 Euro.“ Vielmehr wird die Person sich fragen, wie sie herausbekommt, ob die Designerin oder der Designer wirklich gut ist. Ich könnte ihr nun einen kleinen Guide für fünf Euro anbieten zum Thema „Auf was Sie bei einer Logo-Entwicklung achten sollten“. Ein Angebot, das vom Preis-Leistungs-Verhältnis wirklich gut ist. Im Reichweitenbereich ist es oft so, dass ich meine Kosten mit dem Produkt nicht decke. Der entscheidende Parameter ist, dass die Leute in meine Treppe einsteigen. Es ist eine Art Schnupperangebot.
lexfree: Und ein passendes Superuser-Produkt?
Ehrenfried Conta Gromberg: Wenn ich wirklich hohe Qualität biete, kommt der Moment, an dem Kundinnen oder Kunden sagen: „Ich möchte schnell vorankommen. Hat sie oder er nicht etwas, was mich dabei sofort massiv unterstützt?“ Es sind wenige, die richtig Geld auf den Tisch legen, aber es gibt sie. Wenn ich dieses Segment nicht bediene, verliere ich einen wichtigen Teil meiner Kundinnen und Kunden, die bereit wären, viel Geld auszugeben. Sie buchen nicht den Guide für fünf Euro und auch nicht das normale Logo, weil sie einen höheren Bedarf haben. Das könnte jemand sein, die oder der sagt: „Das Logo ist nur die Speerspitze einer strategischen Wende. Ich möchte einen Dreitages-Workshop mit allen Führungskräften, bei dem wir das Logo live gemeinsam entwickeln. Das darf 25.000 Euro kosten, aber wir haben alle eingebunden und alle sind am Ende zufrieden.“ Das Entscheidende ist auch hier, dass es sich um ein standardisiertes Angebot handelt. Und es darf nicht so günstig sein wie ein Tragschicht-Produkt, denn sonst zieht man knauserige Menschen an und wird ausgequetscht wie eine Zitrone.
lexfree: Wie viel Zeit braucht es, um eine Produkttreppe zu konzipieren und mit realen Angeboten zu füllen?
Ehrenfried Conta Gromberg: Viele junge Menschen hoffen, dass sie eine Wunderformel bekommen, wie sie innerhalb von zwei Monaten online Superstars werden. Deswegen fallen sie auf Kurse herein, die behaupten: „Baue deinen Online-Kurs auf und morgen verdienst du viel Geld.“ Und dann sehen sie, dass es innerhalb von zwei Monaten nicht funktioniert. Ich muss die Treppe mit Inhalten füllen und dann überlegen, welche Technik ich brauche. Mit einer Website ist es nicht getan. Wie lässt sich ein standardisiertes Produkt buchen? Benötige ich einen Shop? Worüber versende ich meinen Newsletter? Wie läuft mein Marketing? Leute, die sich nach einem Jahr in den schwarzen Zahlen befinden, sind die Ausnahme. Die meisten benötigen zwei bis drei Jahre, bis sie ihre Produkttreppe getestet und ins Laufen gebracht haben. Anders ist es, wenn Sie einem bereits etablierten Angebot eine neue Kontur geben, es also in ein Produkt verpacken und es herausbringen. Das lässt sich auch in sechs Monaten umsetzen. Uns ist wichtig: Habe den Mut, diese drei Jahre durchzuhalten, bis es läuft und gehe streng strategisch vor. Deshalb setzen wir so stark auf die Treppe in der Konzeption.

Zu guter Letzt: Die drei wichtigsten Fragen aus dem Interview zusammengefasst
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