Was ist Mental Load?
Auf der einen Seite gibt es die (oftmals ohnehin schon völlig überladene) To-do-Liste. Und dann gibt es Dinge, die zu klein sind, um es auf diese Liste zu schaffen. Sie schwirren zwischen den Zeilen oder sind vermeintlich zu banal oder zu selbstverständlich, um sie irgendwo aufzuschreiben.
Hier ein Beispiel:
Auf der To-do-Liste steht „Handwerker reinlassen“, weil der sich für morgen um 15 Uhr zum Austausch der Wasseruhren angekündigt hat. Eine:r muss also zu Hause sein. Der Kalendercheck aller Personen im Haushalt steht nicht auf der Liste, ebenso wenig die freundliche Nachfrage beim Nachbarn samt Schlüsselaushändigung und Klärung der Frage, wie man selbst denn dann später ohne eigenen Schlüssel in die Wohnung kommt. Ist das geklärt, müsste noch das Freiräumen im Bad organisiert werden, damit der Handwerker auch an alles rankommt. Dafür muss das Schränkchen ausgeräumt und verschoben werden. Das geht nur zu zweit und natürlich auch erst, wenn morgen früh alle durchs Bad sind, weil alles aus dem Schrank in die Badewanne gestellt werden muss. Oder ginge es anders besser?
Das unscheinbare To-do ist also eigentlich eine organisatorische Doktorarbeit – die eine:r im Haushalt übernimmt. Das ist nicht nur mit expliziten To-dos von der Liste so, sondern auch mit ganz alltäglichen Dingen wie dem Haushalt oder der Freizeitgestaltung.
Der Begriff Mental Load beschreibt die psychische Belastung, die durch das Alleinverantwortlichsein für die Organisation solcher Alltagsaufgaben entsteht. Diese Aufgabe kommt meist einer einzelnen Person im Haushalt zu, in den allermeisten Fällen den Frauen. Vor allem in Familien mit Kindern bedeutet diese Rolle eine schier überwältigende Masse an Planungs-, Dokumentierungs- und Koordinationsaufgaben.
Wie das konkret aussehen kann, zeigt die französische Comic-Zeichnerin Emma in einer spitz-humorigen Grafic Novel.
Warum sind Frauen häufiger betroffen?
„Du hättest doch nur etwas sagen müssen.“ Ein Satz, der meist von Männern geäußert wir und das Problem sehr schön skizziert. Denn dieser Satz impliziert, dass der:die andere Hauptverantwortliche:r ist – wofür auch immer. Das ist auch kein Wunder, denn genau so sind wir alle sozialisiert und erzogen, so sind wir es gewohnt. Lange Zeit wurden Frauen ausschließlich darauf geprägt, für die Familie und den Haushalt verantwortlich zu sein. Das ist im Grunde bis heute so. Veränderungen in dieser Rollenstruktur bedürfen viel Aufmerksamkeit, explizite Planung und gleichberechtigte Verhandlung.
Parade-Mental-Loader Solo-Selbstständigkeit
Solo-Selbstständige sind in ihrem Business per se alleinverantwortlich. Für alles. Die mentale Last ist für dich also ohnehin schon ziemlich hoch. Bist du obendrein eine Frau oder auch noch Mutter, potenziert sich der Spaß. Doch gerade, wenn du erfolgreich selbstständig sein willst, benötigst du Platz und Pausen im Kopf. Nur so können sich Kreativität entfalten und Kraftreserven wieder aufbauen. Für dich ist es also umso wichtiger, deinen Mental Load zu reduzieren.
Wie ist mein Mental-Load-Status?
Damit man Mental Load gerecht verteilen kann, muss man erst Unsichtbares sichtbar machen. Dazu hat Johanna Lücke von feministmotherhood.de gemeinsam mit der Initiative Equal Care Day einen Selbsttest entwickelt. Diesen Test kannst du hier online machen oder herunterladen.
Der Test verschafft dir und euch einen Überblick über anfallende Aufgaben und Denkarbeit sowie darüber, wie die jeweiligen Verantwortlichkeiten wahrgenommen werden. Es ist eine tolle Grundlage, um Transparenz und Verständnis zu schaffen, neu zu verteilen und letztlich mehr Wertschätzung für die Leistungen des:der anderen zu entwickeln.
Mental Load vermeiden
Ein langfristiges Entkommen aus der Mental-Load-Falle funktioniert nur, wenn du regelmäßig mit deinem:deiner Partner:in sprichst. Ein fester Termin pro Woche ist eine gute Idee, um anfallende Aufgaben in der kommenden Woche gemeinsam zu besprechen. Was ist konkret zu tun? Wie lange dauert das? Wer denkt daran? Wer erledigt es? Das wird vielleicht nicht immer dazu führen, dass alle Aufgaben gleichberechtigt verteilt werden, aber es macht Tätigkeiten sichtbar. Dafür kann der:die andere dann Danke sagen. Und das ist schon viel wert.
Das Denken in ganzheitlichen Prozessen statt in Aufgaben hilft euch ebenso weiter. Das bedeutet konkret, dass Verantwortlichkeiten im Ganzen vergeben werden. Ein Beispiel: Das Kind ist zum Geburtstag eingeladen. Diesen Gesamtprozess übernimmst du – von der Zusage über die Geschenkbeschaffung, die Organisation vom rechtzeitigen Bringen und Abholen bis hin zur Information, welche Eltern die Kinder beaufsichtigen.
Lasst uns eine Win-Win-Win-Situation daraus machen
Eine wirklich gleichberechtige Aufgabenteilung wäre nicht nur ein Gewinn für die Frauen und Mütter von heute. Auch die Männer und Väter hätten die Möglichkeit, sich vom Erfüllungsdruck bestimmter Rollenmuster zu befreien. Es muss schließlich nicht jeder Mann handwerklich begabt sein. Vielleicht ist Papa aber der weltbeste Vorleser oder der Partner ein begnadeter Koch. Das bewusste Verteilen oder auch Rotieren von Aufgaben ermöglicht diese Erkenntnisse überhaupt erst.
Das wichtigste „Win“ ist allerdings dieses: Unsere Kinder lernen durch eine bewusst gleichberechtigte Verteilung von Verantwortlichkeiten, dass es bei Aufgaben im Haushalt nicht um das Geschlecht geht. Rollenbilder können damit aufgebrochen und die Gesellschaft tatsächlich positiv verändert werden. Darin besteht die effektivste und nachhaltigste Maßnahme gegen Mental Load, wie wir es heute kennen.
Und was mache ich konkret als Solo-Selbstständige:r?
Das Prinzip ist das gleiche: Sichtbar machen, neu organisieren, überprüfen, gewinnen. Es ist also erst einmal wichtig, dass du dir einen Überblick über die unsichtbaren Aufgaben verschaffst, die dich belasten. Woran denkst du unentwegt? Was beschäftigt dich bis in den Feierabend? Was stresst dich? Sobald du eine Liste dieser Dinge erstellt hast, stelle dir folgende Fragen zu jedem einzelnen Punkt:
- Mache ich es nur, weil ich denke, dass man es machen sollte?
- Könnte ich es weniger perfekt machen? Würden 20 Prozent des Aufwandes reichen, um 80 Prozent des Ergebnisses zu erreichen (Pareto)?
- Gibt es eine hilfreiche Automatisierung oder technische Unterstützung?
- Kann ich es delegieren?
- Lässt es sich (sinnvoll) verschieben?
Mit dieser systematischen Herangehensweise lassen sich auch kleine Optimierungsmöglichkeiten ausfindig machen und umsetzen. Teste deine neue Organisation einen Monat lang und mach jede Woche einen Checkup-Termin mit dir selbst. Haben die Veränderungen einen Effekt auf deinen Mental Load, dein Wohlbefinden, deine Arbeitsleistung, deinen Erfolg? Notiere dir die Ergebnisse. Nach einem Monat wertest du deine Notizen aus und entscheidest, welche Veränderungen beibehalten und welche noch einmal angepasst werden sollten. Im Idealfall gewinnst du so dauerhaft mehr Energie, Kreativität und letztlich Erfolgspotenzial. Und verabschiedest dich vom Mental Load.
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