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Für viele Selbstständige gehört das Prinzip „Mehr ist mehr“ fast schon zum Arbeitsalltag. Wer mehr Aufträge annimmt, kann schließlich mehr Rechnungen schreiben, verdient mehr Geld und kann sich mehr leisten. Aber ist das schlau? Es lohnt sich darüber nachzudenken, wie viel eigentlich genug ist – an Einnahmen und an Ausgaben.

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Brauche ich das wirklich?  

Schon vor 2.500 Jahren fanden manche Philosophen, dass wir uns zu viel aus dem Anhäufen von Dingen machen. Aristoteles nannte dieses Phänomen Pleonexia – die Sucht nach mehr. Von der Pleonexia nahm er drei Dinge an:

  • … dass sie ungerecht ist. Denn wenn wir mehr als andere haben, dann nehmen wir Ungleichheit und Ausbeutung billigend in Kauf.
  • … dass wir die Dinge selbst meist gar nicht wollen, sondern vielmehr die Bewunderung und den Neid der anderen.
  • … dass es uns nicht glücklich macht. Zumindest führe die Sucht nach mehr nicht zu dem zufriedenen Leben, das Aristoteles als Eudaimonia bezeichnete.

Einige Jahrhunderte später übersetzt der Film Fight Club Aristoteles’ Konzept der Pleonexia in unsere heutige Zeit: „Von dem Geld, das wir nicht haben, kaufen wir Dinge, die wir nicht brauchen, um Leuten zu imponieren, die wir nicht mögen.“ Daran zeigt sich, dass die antiken Überlegungen zu Konsum und Status immer noch aktuell sind. Denn offenbar wissen wir immer noch nicht so genau, warum wir manche Dinge unbedingt haben wollen. Oft stecken diese Gründe dahinter:

  1. Mit der Mode gehen: Zu Zeiten unserer Großeltern gab es zwei bis vier Saisons, die sich meist an den Jahreszeiten orientierten. Heute bringen die meisten Fast-Fashion-Läden bis zu 52 neue Kollektionen pro Jahr auf den Markt. So entsteht das Gefühl, dass die eigene Garderobe schneller veraltet als man neue Kleidung nachkaufen kann.
  2. Shopping als Hobby: Nach der Schule mit den Freund:innen ins Einkaufszentrum zu gehen, ist gerade bei Jugendlichen ein beliebtes Hobby. Doch auch wenn wir längst unser eigenes Geld verdienen, kann Shoppen ein Zeitvertreib sein, den wir gerne allein oder mit unseren Freund:innen praktizieren.
  3. Belohnung einkaufen: Für die bestandene Prüfung oder das abgeschlossene Projekt: Ein neues Ding in sein Leben zu holen, kann eine gute Belohnung sein. Denn unser Gehirn schüttet beim Einkaufen einen Cocktail aus verschiedenen Hormonen aus, die uns ein gutes Gefühl bescheren. Leider scheinen wir Studien zufolge den positiven Effekt geplanter Einkäufe meist zu überschätzen.
  4. Künstliche Verknappung: Nur noch drei Stück auf Lager – jetzt aber schnell! Sicher ist dein digitaler Einkaufswagen auch schon mal schneller zur Kasse gerollt, wenn du wusstest, dass nur noch wenige Exemplare der gewünschten Ware verfügbar sind oder bald der Preis steigen wird. Viele Händler nutzen diesen Trick bewusst aus und verlocken uns so zu schnelleren Entscheidungen.
  5. Geplante Obsoleszenz: Glühbirnen, Waschmaschinen und Smartphones ereilt früher oder später dasselbe Schicksal: Sie gehen kaputt – auch ohne, dass wir sie versehentlich beschädigen. Die werkseitig eingebaute Sollbruchstelle nennt sich geplante Obsoleszenz. Damit beschreiben Konsumkritiker das Prinzip, dass in manche Gegenstände bewusst minderwertige Teile verbaut werden, sodass das Gerät kaputt geht. Meist ist die Reparatur dann fast so teuer, wie ein neues Gerät zu kaufen – und so hält sich die Wirtschaft selbst am Leben.
  6. Lebensgefühl verbessern: Einen Duft können wir nicht sehen und dennoch gibt es TV-Werbung für Parfum. Kaum ein anderes Produkt macht so gut deutlich, dass uns Werbung und Marketing selten unverhohlen ein Ding verkaufen wollen – sondern ein Lebensgefühl. Auch Luxus-Marken, Finanzdienstleister oder Modehäuser verkaufen vor allem über unseren gelegentlichen Wunsch, uns ein vermeintlich fehlendes Stück zu unserer Persönlichkeit hinzukaufen zu können.
  7. Status beweisen: Wie würdest du dich fühlen, wenn in einer Besprechung alle ihr Smartphone auf den Tisch legen, und jemand ein 90er-Jahre-Handy-Knochen aus der Tasche holt? Oft kaufen wir mit neuen Dingen auch ein Statussymbol. Wir zeigen mit dem aktuellen Smartphone, dass wir uns für neue Technik begeistern und das nötige Kleingeld dafür haben. Das geht natürlich auch mit Autos, Handtaschen oder anderen Dingen, deren Preis deinen Mitmenschen zumindest grob bekannt ist.

Der direkte Weg des Geldes

Und davor sind natürlich auch Solo-Selbstständige nicht sicher: Wer mehr Stunden investiert, kann am Monatsende in der Regel üppigere Rechnungen schreiben. So gehört das Prinzip „mehr ist mehr“ fast schon zum Arbeitsalltag. Dadurch ist bei Solo-Selbstständigen die Verbindung zwischen Arbeit und Kontostand sehr viel deutlicher als bei Angestellten. Und so kann auch die Belohnung direkter ausfallen. Ein Auftrag ist gut gelaufen? Ein guter Moment, um sich mit einer neuen Uhr zu belohnen. Das Projekt bringt 400 Euro ein? Perfekt, denn genauso viel kostet das Spa-Wochenende, das du dir so sehr verdient hast.

In der Achterbahn der Finanzen

Wer sein eigenes Ein-Personen-Unternehmen führt, der fährt oft Achterbahn zwischen auftragsstarken Zeiten mit viel Arbeit und verlockenden Honoraren und dem Tal der finanziellen Unsicherheit. Die Versuchung, das eingegangene Honorar direkt auszugeben, ist vor allem am Anfang der Selbstständigkeit groß. Viele Solo-Selbstständige müssen sich erstmal daran gewöhnen, kein regelmäßiges Einkommen zu haben. Und ebenso braucht es auch einige Gewöhnung, Rücklagen zu schaffen  und nicht alles auszugeben, sobald die Kasse klingelt.

Zwei Dinge können dir dabei helfen, mit der Unsicherheit umzugehen: eine solide Strategie und Konsumgelassenheit.

Die Strategie

Zunächst solltest du dir bewusst machen, wie viel Geld du benötigst. Darauf aufbauend ermittelst du, welches Honorar du verlangen solltest. Wenn du einen angemessenen Stundensatz berechnet hast, also dein Wunschhonorar kennst, kannst du auf die Suche nach zahlungsbereiter Kundschaft gehen. Um der finanziellen Unsicherheit souverän zu entgehen, hilft vor allem eines: ein bequemes Finanzpolster. Das entsteht idealerweise dadurch, dass du direkt nach Honorareingang einen Teil des Geldes beiseiteschaffst und auf einem Sparkonto vor eventuellen Impulskäufen in Sicherheit bringst.

Die Konsum­gelassen­heit

Während bei den Einnahmen oft „mehr ist mehr“ gilt, freut sich die Ausgabenseite eher über ein weniger. Wenn du einen finanziellen Puffer für schlechte Zeiten ansparen möchtest, hilft es, deine Ausgaben im Blick zu behalten. Das Prinzip der Konsumgelassenheit möchte dir dabei helfen, entspannter einzukaufen. Statt dich mit Shopping zu belohnen oder dich von Werbeversprechen hinters Licht führen zu lassen, gönnst du dir etwas Besonnenheit und fragst dich: Brauche ich das wirklich? Wird mich dieses Ding wirklich glücklicher machen? Und wenn ja, wie lange? Studien zeigen immer wieder, dass wir den positiven Effekt, den ein Einkauf auf unser Leben haben soll, fast immer überschätzen. Manchmal kann es auch helfen, den Ablauf beim Online-Shoppen bewusst zu unterbrechen. Wenn du die Dinge ein, zwei Tage im Warenkorb ruhen lässt, wirst du dich wundern, wie viele Teile du vergessen hast, wenn du das nächste Mal die Checkout-Seite öffnest. Und auch dann kannst du dich fragen: Brauche ich das wirklich?

Nicht mehr, sondern genug

Dieselbe Frage kannst du dir gelegentlich auch bei deinen Einnahmen stellen: Brauche ich das wirklich? Die unmittelbare Verbindung von Arbeit und Honorar verlockt gerade Menschen, die frisch gegründet haben, jeden einzelnen Auftrag anzunehmen. An und für sich spricht auch nichts dagegen – nur auf die Dauer darfst du gerne etwas strategischer auswählen. Zum einen ist nicht jeder Auftrag wirtschaftlich sinnvoll, etwa weil er viel Arbeit für wenig Geld fordert oder weil das Projekt eigentlich nicht zu deinem Wunschportfolio passt. Zum anderen könnte nach einigen Monaten der Wunsch nach einer echten Work-Life-Balance die anfängliche Gründungseuphorie ablösen. Und da du dein:e wichtigste:r Mitarbeiter:in bist, solltest du so arbeiten, dass deine Arbeitskraft möglichst lange erhalten bleibt. Wenn du irgendwann völlig überarbeitet und ausgebrannt bist, ist das nicht gerade förderlich für deine Produktivität. Entsprechend empfiehlt sich auch bei der Auswahl deiner Projekte eine gewisse Gelassenheit.

Allein nach Umsatz zu streben, wird auf Dauer fad. Und das wussten sogar schon die alten Griechen: „Nicht wer zu wenig hat, sondern wer mehr begehrt, ist arm“, schrieb der Stoiker Seneca in einem Brief an seinen Freund Lucilius. Entscheidend für das Gefühl von finanzieller Sicherheit ist also eher dein subjektiver Bedarf als die tatsächlichen Zahlen auf deinem Konto. Auch deshalb ist die vermeintlich banale Frage „Brauche ist das wirklich?“ so hilfreich. Und wenn du noch etwas mehr philosophische Überzeugungshilfe zu einem konsumgelassenen Leben brauchst, hat Epikur noch einen Spruch für dich parat: „Wem genug zu wenig ist, dem ist nichts genug.“ Denn wenn du immer das Gefühl hast, zu wenig zu verdienen oder zu wenig zu haben, ab wann hättest du denn genug? Und würdest du dich dann wirklich sicherer und wohler fühlen als jetzt? Oder überschätzt du womöglich den Effekt, den das zusätzliche Honorar oder das gekaufte Ding auf dein Leben und deine Laune haben wird?

Konsum­gelassene Finanz­planung

Wenn du dich mit dem Gedanken des Genug etwas angefreundet hast, kannst du dich langsam an das Profi-Level herantrauen und konsumgelassen an die Jahresplanung gehen. Mitglieder kreativer Berufe kennen das alljährliche Spiel: Ende Herbst fragt die Künstlersozialkasse nach, was man hofft, im nächsten Jahr einzunehmen. Diese Frage hilft zunächst dabei, die Sozialabgaben für das kommende Jahr zu berechnen. Doch diese Zahl kann auch ein Anhaltspunkt dafür sein, wie viel Geld für das kommende Jahr genug sein könnte. Statt aus Angst vor eventuell irgendwann am Horizont aufziehenden Engpässen jeden Auftrag anzunehmen und deine Einnahmen am endlosen Wachstum zu orientieren, kannst du deinen beruflichen Erfolg auch anders definieren: Hast du die Summe erreicht, die du Ende des vergangenen Jahres als Einnahmen für dieses Jahr geschätzt hast? Glückwunsch! Dann hast du für dieses Jahr genug gearbeitet. Jetzt kannst du entweder nur noch Projekte machen, die du wirklich gerne machen möchtest – oder dir ganz schlicht Freizeit gönnen. Erfolg misst du von da an nicht mehr allein anhand der Anzahl von Euros auf deinem Konto – sondern daran, wann du dein Jahressoll erreicht hast.

3 Tipps für mehr Konsum­gelassen­heit als Solo-Selbstständige:r

1. Was will ich wirklich machen?

Die erste und alles entscheidende Frage deiner Selbstständigkeit ist: Was willst du wirklich machen? Schließlich hast du dich nicht selbstständig gemacht, um dich vom Markt und der Kundschaft mal hierhin, mal dahin schubsen zu lassen. Du darfst und musst selbst bestimmen, womit du dein Geld verdienen willst. Ob deine Ziele realistisch sind, wird sich im Laufe der Zeit zeigen. Aber dir deine Träume auszureden, bevor du es überhaupt versucht hast, ist weder nötig noch sinnvoll.

2. Brauche ich das wirklich?

Sowohl beim Einkaufen als auch beim Annehmen von Aufträgen darfst du dich immer wieder fragen: Brauche ich das wirklich? Wenn du etwas kaufst, musst du entsprechend mehr arbeiten, um es dir leisten zu können. Und ist dir die Extraschicht und der Verzicht auf Freizeit das wirklich wert? Wenn die Antwort „ja!“ ist, dann nur zu. Wenn du dir allerdings nicht sicher bist, dann gönn dir ganz gelassen auch mal eine Absage.

3. Wie viel ist genug?

Und auch diese Frage kannst du sowohl mit Blick auf deine Einnahmen als auch in Bezug auf deine Ausgaben stellen: Wie viel brauchst du wirklich? Wie viel willst du in diesem Jahr verdienen? Und wie groß sollte ein Finanzpolster sein, damit du dich darauf wirklich sicher ausruhen kannst?

Tipp

Mehr Denkanstöße im Buch von Dr. Ines Eckermann

Das Buch „Ich brauche nicht mehr – Konsumgelassenheit erlangen und nachhaltig glücklich werden“ gibt Denkanstöße dazu, warum wir kaufen, was wir kaufen und wie wir gelassener mit unseren Kaufentscheidungen umgehen können. Denn Konsumgelassenheit ist nicht nur gut für unseren Geldbeutel, sondern vor allem auch für unseren Planeten.

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